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Das Leiden nicht-menschlicher Tiere in der Landwirtschaft ist enorm. Die meisten sogenannten «Nutztiere» werden als ökonomische Ressource betrachtet und leben in Verhältnissen, die wir bei anderen Tieren als komplett inakzeptabel empfänden. Der Aufschrei wäre gross, würden wir Hunde auf engstem Raum und ohne Auslauf zusammenpferchen und noch im Kindesalter schlachten. Genau das passiert jedoch in der industriellen Tierproduktion.

Auch in der Forschung wirft die Nutzung von Tieren ethische Fragen auf. Jedoch besteht hier ein Konsens darüber, dass die Anzahl Tierversuche reduziert werden sollte – im besten Fall auf null. Seit den 80er-Jahren ist die Zahl der «Versuchstiere» von rund zwei Millionen auf weniger als 600’000 gesunken. Zum Vergleich: Seit der Jahrtausendwende hat sich die Zahl der Schlachtungen beinahe verdoppelt. Über 80 Millionen Tiere wurden in der Schweiz 2021 gemästet und getötet.

Die industrielle Tierproduktion treibt die Klimaerwärmung voran, verschärft den Welthunger und die Wasserknappheit, gewährleistet keine Versorgungssicherheit, ist nicht gesund und verletzt die Tierwürde. Dabei gibt es bereits heute unglaublich viele gesunde, nachhaltige und tierfreundliche Alternativen. Deshalb fordern wir die Einführung des 3R-Prinzips – Refine, Reduce, Replace – für Tiere in der Schweizer Landwirtschaft.

Der 2021 erarbeitete Gegenentwurf zur Initiative gegen Massentierhaltung zeigt klar auf, dass sich die Politik dem Handlungsbedarf im Bereich der industriellen Tierproduktion bewusst ist. Nun gilt es, endlich die richtigen Weichen für eine tierfreundliche und nachhaltige Schweizer Landwirtschaft zu stellen.

Hilf uns JETZT, Druck auf die Schweizer Politik aufzubauen und das 3R-Prinzip in der Schweizer Landwirtschaft zu verankern.

Was ist das 3R-Prinzip?

Beim 3R-Prinzip handelt es sich um ein Konzept aus der Tierversuchsforschung. Heute besteht ein breiter Konsens darüber, dass die Forschung an Tieren schwierige ethische Fragen aufwirft. Aus diesem Bewusstsein heraus sind Regeln entstanden, deren Anwendung in der Schweiz zu einem spürbaren Rückgang an Tierversuchen geführt hat. Die wichtigste Regel lautet, dass es nur dann erlaubt ist, ein Tier zu schädigen, wenn nachgewiesen werden kann, dass keine valablen Alternativen bestehen. In der Landwirtschaft werden jedoch Millionen gesunder Tiere nach einem Bruchteil ihrer Lebenserwartung getötet, ohne dass dafür der geringste Nachweis der Alternativlosigkeit erbracht werden muss.

Dies ist besonders stossend, weil im Landwirtschaftsbereich viel weniger auf dem Spiel steht als in der Forschung. Während die Entwicklung eines neuen Medikamentes möglicherweise unzählige Menschenleben rettet, geht es beim Konsum von Tierprodukten vor allem um ein vergleichsweise triviales Geschmackserlebnis. Gibt es also eine Pflicht, Alternativen zu Tierversuchen zu entwickeln und zu implementieren, dann sollte diese Pflicht in der Landwirtschaft umso stärker sein. Das aus der Forschung bekannte 3R-Prinzip – Refine, Reduce, Replace – muss deshalb auch in der Landwirtschaft zur Anwendung kommen.

Artikel 22 des Tierschutzgesetzes besagt: «[Der Bund] fördert […] die Entwicklung, Anerkennung und Anwendung von Methoden, die Tierversuche ersetzen, mit weniger Versuchstieren auskommen oder eine geringere Belastung derselben zur Folge haben». Der gleiche Grundsatz muss auch für die Landwirtschaft gelten. Die Haltung von Tieren soll ständig verbessert (Refine), quantitativ verringert (Reduce) und – wo möglich – zwingend durch Alternativen ersetzt werden (Replace). Deshalb fordern wir die Anwendung des 3R-Prinzips auf sämtlichen Ebenen der nationalen, kantonalen und kommunalen Landwirtschafts- und Ernährungspolitik der Schweiz.

Wir müssen die Lebensbedingungen von Tieren in der Landwirtschaft verbessern

In der industriellen Tierproduktion gilt: je produktiver ein System, desto besser. Ob bei der Genetik, Unterbringung, Fütterung oder im direkten Umgang – Tiere werden je länger, je mehr als zu optimierende ökonomische Ressource betrachtet. Eine konsequente Umsetzung des Refine-Prinzips kann diesen Trend unterbinden. Im Fokus stehen dabei Massnahmen zur schrittweisen Verminderung des physischen und psychischen Leids der Tiere in der Landwirtschaft.

Die Chance auf ein leidfreies Leben wird Tieren in der Landwirtschaft bereits von Geburt an verwehrt. Geleitet vom Anspruch grösstmöglicher Produktivität werden immer mehr Individuen auf immer weniger Raum gehalten. Vermeintliche «Zuchterfolge» sorgen dafür, dass die Tiere immer schneller und immer mehr Fleisch ansetzen, Eier legen und Milch produzieren. Masthühner dürfen zum Beispiel nur etwa 5 Wochen leben, dann werden sie geschlachtet. In ihrer letzten Lebenswoche sind sie so fett, dass sie sich kaum noch auf den Beinen halten können.

Lösungsansätze

Die von uns lancierte Initiative gegen Massentierhaltung, die 2022 zur Abstimmung kam, hätte das Leben der über 80 Millionen jährlich in der Schweiz geschlachteten Tiere massiv verbessert. Trotz Ablehnung an der Urne hat die Kampagne gezeigt, dass sich unser Einsatz lohnt: Unsere Forderung wurde von über einer Million Menschen unterstützt und hat den gesellschaftlichen Dialog über Monate geprägt. Auch Bundesrat und Verwaltung haben im Zuge der Initiative anerkannt, dass es grossen Handlungsbedarf im Bereich der industriellen Tierproduktion gibt. Der daraus resultierende Gegenentwurf wurde leider vom Parlament verworfen.

Mögliche Verbesserungen im Bereich «Refine» lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Mehr Platz in Schweizer Ställen: Masthühner haben heute gerade einmal eine A4-Seite Platz zum Leben. Zehn Schweine müssen sich die Fläche eines Parkplatzes teilen. Die Zustände in der industriellen Tierproduktion sind skandalös. Wir fordern Platzverhältnisse, die normale soziale Interaktionen ermöglichen.
  • Täglicher Zugang auf eine Weide: Nur 13 Prozent aller Tiere in der Schweizer Landwirtschaft haben regelmässigen Zugang ins Freie (RAUS-Programm). Dabei bedeutet «Zugang ins Freie» oft nur Zugang zu einem betonierten Aussenbereich. Wir fordern, dass alle Tiere täglichen Weidegang erhalten.
  • Verbot moderner «Qualzuchten»: Moderne Hybridzuchten sind genetisch darauf ausgelegt, immer schneller und immer mehr zu produzieren. Mit verheerenden Folgen für die Gesundheit der Tiere. Wir fordern ein Verbot von Zuchtrassen, bei denen das Leid genetisch vorprogrammiert ist.

Wir müssen unseren Tierproduktekonsum reduzieren

In der Forschung besteht ein breiter Konsens darüber, dass wir Tierversuche, sofern möglich, reduzieren sollten. Das gleiche Prinzip gilt es in der Landwirtschaft anzuwenden – spätestens dann, wenn wir uns auch ohne Tierprodukte ausgewogen ernähren können. In der Schweiz stehen uns bereits heute erschwingliche tierleidfreie Lebensmittel zur Verfügung, die eine hochwertige Ernährung ermöglichen. Die Lösungen sind da – der politische Wille muss folgen.

Das Bundesamt für Lebensmittel­sicherheit und Veterinärwesen (BLV) hat in einem Bericht festgehalten, dass Schweizer:innen im Durchschnitt dreimal so viel Fleisch konsumieren, wie gemäss Schweizer Lebensmittel­pyramide empfohlen wird. In der Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030 hält der Bundesrat klar fest, dass der hohe Pro-Kopf-Konsum an Tierprodukten nicht mit den nationalen Nachhaltigkeitszielen kompatibel ist. Selbst Schweizer Behörden sagen also: der Konsum von Tierprodukten in der Schweiz muss sinken.

Lösungsansätze

Wir sind der Überzeugung, dass es für eine nachhaltige Reduktion von Tierprodukten neue politische Weichenstellungen braucht. Deshalb haben wir in der Vergangenheit mehrere Initiativen zur Förderung einer pflanzenbasierten Ernährung lanciert. Im Kanton Basel-Stadt forderten wir bereits 2014 mehr pflanzliche Gerichte auf den Speisekarten öffentlicher Kantinen. Ähnliche Vorstösse – die um eine öffentliche Pflicht zur Sensibilisierung der Bevölkerung ergänzt wurden – folgten in den Städten Zürich, Bern und Luzern. Sowohl in Zürich als auch in Luzern wurden Gegenvorschläge von der Bevölkerung angenommen.

Mögliche Verbesserungen im Bereich «Reduce» lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Sensibilisierung der Bevölkerung: Trotz ihrer Leidensfähigkeit werden Tiere in der Massentierhaltung als ökonomische Produktionsfaktoren betrachtet – entgegen den Hochglanz-Werbebildern der Milch- und Fleischlobby. Diese Diskrepanz zwischen öffentlicher Wahrnehmung und Realität gilt es aufzulösen.
  • Verfügbarkeit pflanzlicher Optionen: Die Verfügbarkeit hochwertiger und schmackhafter pflanzlicher Lebensmittel – insbesondere im öffentlichen Raum – muss erhöht werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass wir überhaupt die Wahl haben, uns nachhaltig und tierfreundlich zu ernähren.
  • Neue Anreizsysteme und «Nudging»: Die Entscheidung für ein Produkt fällt leichter, je attraktiver – günstiger, ansprechender, leichter zugänglich – es ist. Deshalb fordern wir von Politik und Grossverteilern, dass sie mehr Anreize für die Produktion und den Konsum alternativer Proteine schaffen.

Wir müssen auf eine pflanzenbasierte Ernährung umstellen

In der Forschung gilt die Devise: Kann ein Experiment auch ohne Tierversuche verlässliche und hochwertige Resultate erzielen, dann müssen entsprechende Alternativen bevorzugt werden. Im Kontext der Landwirtschaft bedeutet eine analoge Betrachtungsweise: Wo hochwertige Nahrungsmittel mit vergleichbaren Nährwerten verfügbar sind, müssen Tierprodukte ersetzt werden. Dieser rationale Grundsatz muss in Politik und Gesellschaft zur Norm werden.

Aus wissenschaftlicher Sicht ist mittlerweile klar, dass ein nachhaltiges Schweizer Ernährungssystem einer Neuausrichtung bedarf. Die Schweiz muss dringend konkrete Massnahmen ergreifen, um Alternativen zu Tierprodukten gezielt zu fördern. Erst kürzlich wurde im Rahmen des Ernährungssystemgipfels 2023 ein wissenschaftlichen Leitfaden publiziert, der unter anderem die Förderung alternativer pflanzlicher Proteine mit – im Vergleich zu Tierprodukten – massiv besseren Gesundheits- und Umweltstandards fordert.

Lösungsansätze

Beispiele aus anderen Ländern zeigen, dass staatliche Förderprogramme ein wirkungsvoller Ansatz sind, um innovative Systeme im Bereich der nachhaltigen Proteinproduktion aufzubauen. Die Schweiz ist durch ihre wirtschaftlichen Voraussetzungen und ihre Innovationskraft prädestiniert dafür, in diesem Bereich eine Pionierrolle einzunehmen. Im Rahmen des Protein Labs, das wir in Zusammenarbeit mit collaboratio helvetica und der Berner Fachhochschule durchführen, wollen wir die sektorübergreifende Zusammenarbeit zwischen den relevantesten Akteuren des Ernährungssystems fördern und der Frage nachgehen, wie wir den Proteinwandel möglichst effektiv beschleunigen können.

Mögliche Verbesserungen im Bereich «Replace» lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Staatliche Förderung alternativer Proteine: Wir fordern staatliche Förderprogramme zur Entwicklung nachhaltiger Proteine. Diese tragen nicht nur dazu bei, die Nachhaltigkeitsziele der Schweiz zu erreichen, sondern fördern auch die Entwicklung innovativer Technologien und Geschäftsmodelle.
  • Replace-Richtlinien für Grossverteiler: Schweizer Grossverteiler spielen eine Schlüsselrolle bei der Umstellung auf eine vermehrt pflanzliche Ernährung. Sie stehen deshalb in der Pflicht, ihr Sortiment an Tierprodukten sukzessiv durch alternative Proteinquellen zu ersetzen und diese gezielt zu bewerben.
  • Forschungsprogramme für «New Protein»: Die Forschung muss dazu beitragen, dass alternative Proteinquellen mehrheitsfähig werden. Im Fokus sollten die Entwicklung und Verbesserung von Technologien zur Herstellung pflanzlicher Proteine und die Förderung der gesellschaftlichen Akzeptanz stehen.

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